Am 14. Dezember hat AWO-Geschäftsführer Jürgen Tautz einen Brief an die sächsische Staatsministerin für Kultus geschrieben. Anlass dafür war die befremdliche Reaktion von Brunhild Kurth auf die Aktion „Licht aus – Bildungsplan an“, in der Ende November und Anfang Dezember viele Kitas in Sachsen zwei Stunden eher geschlossen haben.

In diesen zwei Stunden wurden nicht nur Dienstberatungen durchgeführt und Vor- und Nachbereitung für die Umsetzung des Sächsischen Bildungsplanes geleistet – diese Aktion war gleichzeitig auch ein Hilferuf an die Politik. Ein Hilferuf, den Doppelhaushalt zu nutzen, um endlich spürbare Verbesserungen in den Rahmenbedingungen der Kitas in Sachsen zu schaffen. Wie wir mittlerweile wissen, wurde dieser Hilferuf nicht gehört, die Forderungen der Postkartenaktion vom Sommer und Herbst 2016 sind im Haushalt nicht berücksichtigt worden. Wieder wurden die Prioritäten anders gesetzt. Am 27. Januar 2017 erreichte uns die Antwort von Brunhild Kurth, die wir hier unkommentiert und der Vollständigkeit halber veröffentlichen: Antwort von Brunhild Kurth.

Der Inhalt des Briefes:

Sehr geehrte Frau Staatsministerin Kurth,

mit Befremden habe ich Ihre Presseerklärung vom 29.11.2016 zu den Aktionen der Graswurzelinitiative zur Verbesserung der Rahmenbedingungen in sächsischen Kindertagesstätten zur Kenntnis genommen. Abgesehen davon, dass es sich bei den Aktionen um keinen Streik gehandelt hat, sind die Aussagen in dieser Presseerklärung schlichtweg zynisch. Sie verkennen die Tatsache, dass die Landesregierung Sachsens für die frühkindliche Bildung in Kindertagesstätten seit Jahren nicht das Erforderliche getan hat. Wie sonst erklären Sie sich, dass der im Sächsischen Kindertagesstättengesetz festgeschriebene Personalschlüssel selbst nach der marginalen Verbesserung in dieser Legislaturperiode des Sächsischen Landtags bundesweit nach wie vor das Schlusslicht darstellt.

In der Praxis lässt sich dieser Personalschlüssel ohnehin nicht umsetzen, da das Personal nach Kind und Betreuungszeit berechnet wird, die Öffnungszeit der Einrichtungen aber darüber hinausgeht. Auch Urlaub, Krankheit und Weiterbildung bildet der Schlüssel nicht ab, ebenso nicht die notwendige Vor- und Nachbereitungszeit. Wie soll der ambitionierte Sächsische Bildungsplan in den Kindertagesstätten unter diesen Bedingungen umgesetzt werden?

Tatsache und zugleich völlig paradox ist, dass Erzieherinnen und Erzieher gemeinsam mit Eltern in den Kindertagesstätten seit Jahren um Voraussetzungen kämpfen, dass sie ihrer gesetzlichen Pflicht nachkommen können, nämlich der Umsetzung des Sächsischen Bildungsplanes. Indem Sie den Initiatoren der Aktionen am 29.11. und 06.12.16 „Parolen und unrealistische“ Forderungen“ unterstellen, attackieren Sie Eltern, Erzieherinnen und Erzieher und freie Träger von Kindertagesstätten, die sich dafür einsetzen, Rahmenbedingungen für frühkindliche Bildung in Kindertagesstätten zu schaffen, welche die Umsetzung des Sächsischen Bildungsplanes überhaupt erst ermöglichen. Die jahrelange Praxis, die Verantwortung für die Kindertagesstätten zwischen Land und Kommunen hin und her zu schieben, ist langsam unerträglich. Meines Wissens liegt die föderale Verantwortung für Bildungspolitik bei den Ländern, wenngleich die Betreuung in Kindertagesstätten eine Pflichtaufgabe der Kommunen ist. Es wäre also geboten, gemeinsam dafür zu sorgen, dass frühkindliche Bildung in Kindertagesstätten gelingen kann.

Wir verkennen nicht, dass der Freistaat durch die geringfügige Verbesserung des Personalschlüssels in den Kindertagesstätten mehr Geld als bisher ausgibt. Das reicht aber eben nicht aus, um die Kinder in den Kindertagesstätten gut auf ihrem Weg in die Schule und das Leben vorzubereiten – und Bildung beginnt eben nicht erst in der Schule, sondern im Kindergarten! Es gilt also, anders als bisher Prioritäten zu setzen, wenn es darum geht, wofür der Freistaat Steuermittel einsetzt. Dass Menschen und Einrichtungen, die sich für Verbesserungen im Kita-Bereich engagieren, von der zuständigen Staatsministerin für ihr Engagement gerügt werden, ist für mich nicht nachvollziehbar.

Ich lade Sie gern in Kindertagesstätten in meinem Verantwortungsbereich ein. Sprechen Sie mit Elternvertretern, mit Erzieherinnen und Erziehern und Trägern, um die Realität kennenzulernen. Überzeugen Sie sich davon, dass es hier nicht um „unrealistische Forderungen“ geht, sondern darum, dass die Rahmenbedingungen in sächsischen Kindertagesstätten nicht mehr zu Lasten von Kindern und Eltern und auf Kosten der Gesundheit von Erzieherinnen und Erziehern gehen. Nehmen Sie sich bitte die Zeit, um zu verstehen, dass Bildung im Kindergartenalter die gleiche Aufmerksamkeit verdient, wie in der Schule.

Mit freundlichen Grüßen

Jürgen Tautz

Geschäftsführer

 

Weitere Informationen: www.die-bessere-kita.de